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AutorenbildAndreas Käppeli

Small Talk mit der Medienwissenschafterin Dr. Sarah Genner


Dr. Sarah Genner war Referentin zum Thema Mediennutzung und mobiles Internet bei den Treffen der P-Business-Clubs. Ganz entgegen dem Trend präsentiert sie unaufgeregt und präzise die Ergebnisse ihrer Forschung.



Liebe Sarah,

Danke, dass du dich diesen Fragen stellst. Mich interessieren die Erkenntnisse deiner Forschung im Bereich Mediennutzung und mobiles Internet. Deshalb habe ich dich zu einem Small Talk eingeladen:


Q. Wieviel Bildschirmzeit pro Woche meldet dir dein Smartphone? A. Das Smartphone ist mein Tor zur Welt und wichtigstes Internetgerät geworden. Ich nutze intensiv und mobil Email, diverse Messengers, News-Apps, TV, Radio, Dokumente, Notizen, Kamera, alle gängigen Social-Media-Apps. Ich bin derzeit beruflich und privat viel unterwegs an Orten, wo ich mich nicht auskenne. Dabei kommen Google Maps, SBB, Fairtiq, Uber, Airbnb zum Zug. Weiter nutze ich regelmässig folgende Apps: Ricardo, Postfinance, Twint, YouTube, Podcasts, Meteo, Snapseed. Das sind mehrere Stunden am Tag und wöchentlich bis zu 30 Stunden. 


"Das Smartphone ist mein Tor zur Welt und wichtigstes Internetgerät geworden." Sarah Genner

Q. Was genau erforschst du rund um die Nutzung von Medien und das mobile Internet? Was möchtest du erfahren und herausfinden? A. Ich habe an mehreren Mediennutzungsstudien mitgewirkt, Technikfolgenabschätzungsberichte verfasst und ein Buch zu Chancen und Risiken des permanenten Online-Zugangs geschrieben. Ich interessiere mich für den Medienwandel durch die fortschreitende Digitalisierung und deren Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft. Ich möchte mehr wissen, wie neue Mediennutzungsgewohnheiten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel bewirken. Ich bin technologisch sehr interessiert, möchte aber auch dazu beitragen, dass wir die Risiken und Nebenwirkungen minimieren können. 

"Die Angst, dass Maschinen menschliche Arbeit übernehmen, ist seit Beginn der Industrialisierung vorhanden. Aber tatsächlich ist der Arbeitsmarkt mit jeder Automatisierungswelle stark gewachsen." Sarah Genner

Q. Was fasziniert dich an diesen Themen? A. Ich gehe davon aus, dass die Digitalisierung gesellschaftliche Auswirkungen haben wird, die langfristig in ihrem Ausmass vergleichbar sein werden mit dem Buchdruck. Diesen fundamentalen Leitmedienwechsel und dessen Konsequenzen für einzelne Menschen, Bildung, Wirtschaft und Arbeitswelt wissenschaftlich zu begleiten, fasziniert mich ausserordentlich. 

"Ich gehe davon aus, dass die Digitalisierung gesellschaftliche Auswirkungen haben wird, die langfristig in ihrem Ausmass vergleichbar sein werden mit dem Buchdruck." Sarah Genner

Q. Welchen Nutzen bringen ganz allgemein gesagt deine Forschungen? A. Mir ist es wichtig, das gewonnene Wissen ausserhalb der Wissenschaft nutzbar machen. So habe ich beispielsweise vor Jahren einen Medienkompetenz-Ratgeber für Eltern initiiert und massgeblich verfasst, der in der Schweiz bisher rund eine Viertelmillion mal verteilt wurde. Ich halte zudem zahlreiche Referate, z.B. zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt und bin dabei, eine Ausstellung zum Thema Privatsphäre im digitalen Zeitalter vorzubereiten. Es gibt in Bezug auf die digitale Transformation derzeit viele Propheten, die grosse Verheissungen für die Zukunft versprechen, andererseits verkaufen sich kulturpessimistische Bücher wie „Digitale Demenz“, „Cyberkrank“, „Digitaler Burnout“ wie wahnsinnig. Ich sehe mich als eine moderate Stimme im Diskurs, die versucht, sowohl dem Hype, aber auch den Angstmachern nüchterne Zahlen und Fakten entgegenzuhalten, damit wir gemeinsam in eine frohe digitale Zukunft steuern können. 

"Es gibt in Bezug auf die digitale Transformation derzeit viele Propheten, die grosse Verheissungen für die Zukunft versprechen, andererseits verkaufen sich kulturpessimistische Bücher wie „Digitale Demenz“, „Cyberkrank“, „Digitaler Burnout“ wie wahnsinnig." Sarah Genner

Q. Was kann die Gesellschaft, der einzelne Nutzer oder ein Medienunternehmen konkret von dir und deinen Forschungen erfahren und lernen, und welchen praktischen Nutzen könnte das bringen? A. Ich hoffe, mit meinen Publikationen und Auftritten grössere Zusammenhänge aufzuzeigen und eine differenziertere Sichtweise zu ermöglichen. Nicht alles ist komplett neu, besser oder schlechter mit der Digitalisierung. Es ist oft spannender für Massenmedien und Beratungsfirmen zu betonen, wie disruptiv nun alles sei. Es ist langweiliger - wenn auch zutreffender -, dass sich in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte immer wieder grosse Veränderungen zugetragen haben, die z.B. neue Geschäftsmodelle oder Machtverhältnisse zur Folge hatten. Die Angst, dass Maschinen menschliche Arbeit übernehmen, ist seit Beginn der Industrialisierung vorhanden. Aber tatsächlich ist der Arbeitsmarkt mit jeder Automatisierungswelle stark gewachsen. Bereits automatisierte Webstühle, Bücher, TV und Terminator haben grossen Kulturpessimismus hervorgerufen, daher ist auch der digitale Wandel vermutlich nicht der Untergang des Abendlandes. Dennoch ist es mir wichtig, auf Chancen und Risiken zu verweisen: Möglichkeiten des mobil-flexiblen Arbeitens, Erreichbarkeit für Familie und wichtige Kontakte, Notruf, aber auch Probleme mit „Always On“ oder Datensicherheit und Privatsphäre. 

"Nicht alles ist komplett neu, besser oder schlechter mit der Digitalisierung. Es ist oft spannender für Massenmedien und Beratungsfirmen zu betonen, wie disruptiv nun alles sei. Es ist langweiliger - wenn auch zutreffender -, dass sich in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte immer wieder grosse Veränderungen zugetragen haben, die z.B. neue Geschäftsmodelle oder Machtverhältnisse zur Folge hatten." Sarah Genner

Q. Du lehrst ab Frühjahr 2019 auch an der HSG St. Gallen. Was lernen die Studenten bei dir? A. In meiner Lehrveranstaltung befassen wir uns ein Semster lang mit Medienpsychologie und Digitalisierung. Es geht um Mediennutzung und Sozialisierung, um Medienwirkungen und den digitalen Wandel der Arbeitswelt. Wir schauen uns Effekte an wie Priming, Framing, Agenda-Setting, Schweigespirale sowie Werther- und Papageno-Effekt. Es wird um das Verhältnis von Mensch und Maschine gehen, Robotik und KI. Wir werden eine Exkursion zu einem traditionellen Medienhaus machen und dort «digitale Transformation» und ihre Auswirkungen auf Arbeitsprozesse, Berufsbilder, Geschäftsmodelle, Skills etc. exemplarisch vertiefen. Schliesslich werden die Studierenden als Leistungsnachweis selber einen journalistischen Artikel - auf Wunsch print oder digital - verfassen und dabei einige der theoretisch erlernten Effekte praktisch vertiefen können.  Danke Sarah für dieses Gespräch.


 

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