Andreas Käppeli
UnternehmerInnen -- Zehnkämpfer der Wirtschaft
Wettbewerbe mit Ashton Eaton, einem US-amerikanischen Leichtathleten, waren für mich immer ein Augenschmaus. Er hielt von 2012 bis 2018 den Weltrekord im Zehnkampf und war Weltrekordhalter im Siebenkampf in der Halle. Als ausgezeichneter Läufer und Springer war er in der Lage, seine eher durchschnittlichen Leistungen in den Wurfdisziplinen auszugleichen.

Warum sage ich das, wenn es um den Beruf des Unternehmers geht? Weil auch Unternehmerinnen und Unternehmer selten die besten Berufsleute, beispielsweise als Polygraf, Drucker, Maurer oder Verkäufer sind. Die Konzentration auf eine Disziplin ist eher nicht ihr Ding. UnternehmerInnen verfügen meistens über durchschnittliche Talente in mehreren Disziplinen, ähnlich wie Zehnkämpferinnen und Zehnkämpfer unter den Leichtathleten.
Facts und Figures
Laut Bundesamt für Statistik gibt es in der Schweiz 591000 kleine und mittlere Unternehmen, sogenannte KMU (< 249 Angestellte). Sie sind die Basis der Schweizer Wirtschaft. Viele von ihnen sind unspektakuläre Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe.
Die Mühsal der Nachfolge
Kleine und mittlere Unternehmen befinden sich oft im Besitz einer Familie und werden von Generation zu Generation weiter gegeben. Aktuell scheint das aber nicht mehr so gut zu funktionieren, denn zur Zeit sucht eine grosse Zahl von Unternehmen eine Nachfolge. Gemäss den Daten von Bisnode sind es derzeit in der Schweiz 75'038 KMU (13,1%). Im Druck- und Verlagsgewerbe meldet Bisnode 19.7% oder 859 Unternehmen.
Es scheint, als verspürten junge Leute wenig Lust, den familieneigenen Handwerksbetrieb, Blumenladen oder die Druckerei zu übernehmen. Ein Grund scheint die Tatsache zu sein, dass Söhne und Töchter miterleben, wie wenig Freizeit ihren Eltern bleibt und wie viel Einsatz und Arbeit ihnen das eigene Unternehmen abverlangt.
Der Start-up-Hype
Die andere Seite der Medaille erzählt eine andere Geschichte: Im Jahr 2020 wurden 46’800 neue Unternehmen gegründet. Ein Rekord, trotz Corona. Diese Zahl übertrifft das Vorjahr um 4,9 Prozent. Am meisten Neugründungen verzeichnet mit 8’417 Firmen der Kanton Zürich, gefolgt von den Kantonen Waadt (4’428), Bern (3’944) und Genf (3’868).
Bezüglich Branchen führen Unternehmensdienstleistungen mit 4’954 Neueintragungen, vor Unternehmens- und Steuerberatungen (4’090) und dem Handwerk (3’803) das Handelsregister (SHAB) an.
In den Medien werden junge Gründerinnen und Gründer oft gefeiert. Dabei geht aber vergessen, dass zwei bis drei von fünf Jungunternehmen die ersten fünf Jahre nicht überleben und sang- und klanglos wieder verschwinden.
Fragen stellen lohnt sich
Gründerinnen und Gründern stellen sich erstmal viele Fragen: Wie entwickle ich eine Unternehmensstrategie? Welche Rechtsform wähle ich und wie gründe ich eine AG? Was muss ich über Versicherungen und Steuern wissen? Welche Kenntnisse und Fähigeiten muss ich mitbringen und wie kann ich mein Unternehmen finanzieren?
Bin ich ein Unternehmer?
Vor allem die ersten Jahre verlangen viel Einsatz und grosse Opfer. Unternehmerinnen und Unternehmer verzichten auf Freizeit, gehen hohe Risiken ein und stecken oft ihr ganzes Erspartes ins Unternehmen. Es lohnt sich also herauszufinden, ob man als Unternehmerin und Unternehmer das richtige Mindset mitbringt. Die Fachhochschule Nordwestschweiz bietet auf der Website entrepreneur-check.ch einen Test.
Reicht der Inhalt meines Rucksacks?
Wenn man Unternehmerinnen und Unternehmer nach beruflichen Voraussetzungen fragt, die man in diesen Beruf mitbringen sollte, werden oft Führungs- und Verkaufserfahrung genannt. Wer schon Mitarbeitende geführt hat und weiss, wie man Kunden und Aufträge gewinnt, erhöht seine Erfolgschancen.
Nützlich sind auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse und kaufmännisches Basiswissen. Im Internet finden sich zwar viele Tools, die Gründer bei der Entwicklung der Strategie und des Geschäftsmodells unterstützen, beispielsweise die Website strategyzer.com. Trotzdem lohnt es sich, eine solide Ausbildung zu prüfen, beispielsweise beim Institut für Jungunternehmer ifj.ch.
Der richtige Kaufpreis
Wer ein etabliertes Unternehmer übernimmt, muss einen angemessenen Preis bezahlen. Viele schätzen den Wert ihres Unternehmens aber viel zu hoch ein und verlangen von Nachfolgern unrealistisch hohe Preise. Hier lohnt sich eine Schätzung durch einen neutralen Spezialisten, wie beispielsweise durch das vermoegenszentrum.ch.
Nützliche Links
kmu.admin.ch (Info für Gründer)
startbox.swiss (Leitfaden zur Selbständigkeit)
easygov.swiss (Papierkram für Unternehmensgründer)
zurich.impacthub.ch/de/ (kostengünstige Büros, inspirierende Atmosphäre
wemakeit.com (Unternehmensfinanzierung via Crowdfunding)
startzentrum.ch (Coaching für Gründer)
supertext.ch (professionelle Texte und Übersetzungen)
Getroffen im Publisher Lunch Talk
Marlen Baumgartner und Rino Frei verfügen über Zehnkämpferqualitäten. Beide haben den Schritt ins Unternehmertum gewagt. Im zweiten Publisher Lunch Talk (Videocast siehe unten) erzählen sie, was sie bewogen hat, in eine turbulente Branche, die sich immer wieder neu erfindet, als Unternehmerin und Unternehmer einzusteigen.
Marlen Baumgartner (33) übernahm nach einer Lehre als Polygrafin und einer betriebswirtschaftlichen Weiterbildung an einer Fachhochschule zusammen mit ihrem Bruder das elterliche Unternehmen Printex AG in Dagmersellen. Davor hatte sie in einer Werbeagentur gearbeitet. Seit 2017 leitet die ehemalige Leichtathletin und begeisterte Fotografin die elterliche Druckerei mit 18 Mitarbeitenden. printex.ch
Rino Frei (45) erwarb 2015 die Ostschweiz Druck AG in Wittenbach mit 62 Mitarbeitenden. Später kamen die Typotron AG mit Sitz in St. Gallen, Walz Druck in Walzenhausen und Vetter Druck, Thal GmbH dazu. Total zählt die Gruppe heute 100 Mitarbeitende. Das nötige Wissen erwarb er sich als Produktions- und Geschäftsleiter in der grafischen Branche sowie mit einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung. ostschweizdruck.ch
Fazit
Der Beruf einer Unternehmerin, eines Unternehmers verändert das Leben radikal. Wer aber seine Talente ausleben, Neues wagen und ausprobieren möchte, Visionen entwickeln und umsetzen will, findet in diesem Beruf das geeignet Spielfeld. Auf der anderen Seite übernimmt man als Unternehmerin und Unternehmer Verantwortung, finanziell und moralisch, für sich und seine Mitarbeitendenden.
PS. Mich erwischte das Gründervirus mit 22 Jahren
Eine mehrmonatigen Reise kreuz und quer durch Nordamerika schärfte meinen Blick für das Unternehmertum. Ich realisierte, dass ich in Amerika als Unternehmer ein besseres Leben haben würde, als als Angestellter. Ich prüfte daraufhin verschiedene Geschäftsideen, vom Reisebüro, einem Korrektorat bis zur Übernahme einer Druckerei.
Nach einem Marketingstudium gründete ich 1999 eine Marketingagentur und begleite seither Selbständige und KMU rund um Marketing und Verkauf. Seit vierzehn Jahren leite ich den P-Business-Club, ein Forum für Führungskräfte aus der Medienproduktion pbusinessclub.ch.
Als ich während meiner Reise bei einer Familie in Kalifornien Halt gemacht hatte, bemerkte meine Schlummermutter eines Tages, dass unten im Tal ein junger Unternehmer namens Steven Jobs in seiner Garage Personal Computer zusammenschraube. Sie meinte, ich solle mich dort doch mal umschauen. Ich zuckte ungerührt mit den Schultern und verpasste die Gelegenheit.